SWR/Deutschlandradio Kultur 2008, 55 Min. Von Thilo Guschas.
Die mit Kleidern sprechen.
Kanga-Kultur in Afrika.
Wenn es in Ostafrika an die wirklich delikaten Themen geht – Sex, Drogensucht, Ehebruch – zücken die muslimischen Frauen Waffen der ganz besonderen Art. Sie hüllen sich in eine Kanga, ein Wickelkleid, mit dem sie ihre Sicht der Dinge deutlich zur Sprache bringen. Kangas sind mit einem kurzen Spruch bedruckt, der das jeweilige Thema in dunklen Worten auf den Punkt bringt. Nachbarstreitigkeiten und Ehekrisen werden in dieser "Kleidersprache" verhandelt, aber auch Liebeserklärungen und elterliche Ermahnungen ausgesprochen. Eine nicht zu verachtende Tücke hat diese Kommunikation jedoch: Wer durch eine Kanga "angeredet" wird, darf nicht direkt nachfragen, was das ganze denn bedeuten soll. Die Kleidersprache ist, wie die Themen, die man mit ihr verhandelt, ein Tabuthema. In Ostafrika hat sich rund um die Kangas eine ganze Industrie gebildet. Es gibt sie in Dutzend neuen Modellen jede Woche, als Massenware auf den Markt geworfen – mit bereits vorgedruckten Sprüchen. Die Kanga-Kleidersprache ist ein Phänomen mit kuriosen Wurzeln, die bis ins Europa der Kolonialzeit zurückreichen.